Use Scenarios und Aufgabenanalyse

Der Usability Engineering Prozess steht und fällt mit der Qualität der Use Scenarios. Wir unterstützen Sie durch die folgenden Leistungen:

Identifikation und Dokumentation der (gefährdungsbezogenen) Use Scenarios
Überarbeitung bereits vorhandener (gefährdungsbezogener) Use Scenarios
Erstellung von Aufgabenanalysen und Ableitung von Use Errors

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Wofür benötigt man Use Scenarios?

Ein Usability Engineering File nach IEC 62366-1:2015 enthält gefährdungsbezogene Use Scenarios (Nutzungsszenarien). In der Norm folgt die Analyse und Dokumentation der gefährdungsbezogenen Use Scenarios erst nach der Identifikation von Use Errors und nutzungsbezogenen Gefährdungen und Gefährdungssituationen.

Es ist jedoch sinnvoll, schon vorher Use Scenarios zu erstellen, da sich hieraus sehr einfach Use Errors ableiten lassen. Die Entscheidung, ob die Use Scenarios gefährdungsbezogen sind, trifft das Risikomanagement dann im Nachgang durch die Betrachtung der Use Errors in der Risikoanalyse. Zudem beeinflussen die Use Scenarios die Definition von Systemanforderungen bzw. Anforderungen der User Interface Requirements.

Was ist ein Use Scenario?

Use Scenarios stellen die Interaktion eines oder mehrerer Nutzer mit dem zu entwickelnden Produkt systematisch dar. Hierbei zeigt jedes einzelne Use Scenario die Nutzung des Produkts

durch Nutzer bestimmter User Profiles (Nutzerprofile)
in bestimmten Use Environments (Nutzungsumgebungen)
zur Erreichung eines bestimmten Ziels.

Die IEC 62366-1 schreibt nicht vor, in welcher Form ein Use Scenario geschrieben werden muss. Daher ist die Form frei wählbar: Fließtext, Tabellen oder Diagramme. Jedoch müssen immer die (Teil-)Aufgaben der Nutzer sowie die resultierenden Reaktionen des Medizinprodukts erkennbar sein.

Aus der Erfahrung heraus präferieren wir von Benkana Interfaces bei Use Scenarios eine tabellarische Aufstellung, in der jede Aufgabe der Nutzerinnen und Nutzer eine eigene Zeile einnimmt. Wir empfehlen Ihnen zudem aus der Task-Analyse auch die Nutzungsfehler (Use Errors) abzuleiten. Damit ist es möglich mögliche Nutzungsfehler bereits sehr früh im Entwicklungsprozess zu Identifizieren. Das Risikomanagement kann dann bereits Risikobeherrschungsmaßnahmen gemeinsam mit dem Usability Engineering identifizieren.

Use Scenario: Probenentnahme zur Testung auf Sars-CoV-2

ID	3	User group(s)	UP-1: Laien-Selbstanwender UP-2: Pflegefachkräfte
Trigger	Es soll eine Probe zur Testung auf SARS-CoV-2 entnommen werden.	Use environment	Häusliche Umgebung mit Ablagefläche
Hazard-related	Ja (jedoch erst nach der Risikoanalyse festgelegt)	Overall usw errors	UE.01 Der Benutzer verschmutzt die Nutzungsumgebung mit dem entnommenen Probenmaterial.

User-Task	System (Re)Action	Applicable for product	Use Errors
Der Benutzer entnimmt den Tupfer zur Probenentnahme aus der Sterilverpackung.	-/-	Tupfer	UE.02 Der Benutzer verschmutzt den Tupfer zur Probenentnahme.
Der Benutzer entnimmt die Probe.	-/-	Tupfer	UE.03 Der Benutzer entnimmt die Probe an einer anderen als der dafür vorgesehenen Stelle.
Der Benutzer öffnet das Probenröhrchen.	-/-	Tupfer, Probenröhrchen	UE.04 Der Benutzer vergießt Probenflüssigkeit.
Der Benutzer überträgt die Probe in die Probenflüssigkeit.	-/-	Tupfer, Probenröhrchen	UE.05 Der Benutzer überträgt das Probenmaterial auf eine andere als die dafür vorgesehene Weise in die Probenflüssigkeit.
Der Benutzer entsorgt den Tupfer.	-/-	Tupfer, Probenröhrchen	-/-

Beispielhafter Auszug eines Use Scenarios für die Nutzung eines SARS-CoV-2-Tests für die Laienanwendung mit von den User-Tasks abgeleiteten Use Errors. Da in diesem Use Scenario verschiedene Systemkomponenten genutzt werden, ist eine Spalte eingeführt worden, die anzeigt, für welche der Komponenten die jeweilige Zeile relevant ist. Bei den Systemreaktionen sehen wir davon ab, das direkte Ergebnis der Handlung des Nutzers aufzuführen: Ein Tupfer, der in die Probenflüssigkeit getaucht wird, wird nass. Er reagiert weder aktiv noch auf eine Weise, in der er dem Nutzer relevante Informationen liefert.

In Zusammenarbeit mit dem Risikomanagement werden aus der Menge der Use Scenarios die gefährdungsbezogenen Use Scenarios bestimmt. Für jedes gefährdungsbezogene Use Szenario werden die verbundenen Gefährdungen und Gefährdungssituationen dokumentiert.

Noch mal genauer hingeschaut: die Aufgabenanalyse

Die Interaktion zwischen Benutzer und Produkt kann einer Taskanalysis (Aufgabenanalyse) unterzogen werden. Dabei werden die Aufgaben der Nutzerinnen und Nutzer nötigenfalls noch detaillierter betrachtet. Es können verschiedene Methoden eingesetzt werden, beispielsweise die sogenannte PCA-Analyse. PCA steht hierbei für Perception (Wahrnehmung), Cognition (Erkenntnis) und Action (Handlung). Jede der im Use Scenario beschriebenen Aktionen der Nutzerinnen und Nutzer wird bei dieser Analyse auf diesen drei Ebenen betrachtet. Mithilfe dieses systematischen Ansatzes können auf diese Weise schon User Requirements abgeleitet oder potenzielle Use Errors gefunden werden.

Wie könnte ein Use Scenario mit PCA-Analyse aussehen?

Aus der Erfahrung heraus präferieren wir von Benkana Interfaces bei Use Scenarios eine tabellarische Aufstellung, in der jede Aufgabe der Nutzerinnen und Nutzer eine eigene Zeile einnimmt. Wir legen den korrekten Gebrauch auf der Ebene der Aufgabe fest und nutzen die PCA-Analyse, um auf strukturierte Weise potenzielle Use Errors zu bestimmen. Diese haben einen Einfluss auf die weitere Entwicklung und die Risikobeherrschung.

Durch die Use Scenarios gewinnen Sie schon früh einen Überblick über nutzungsbezogene Risiken. Auf diese Weise können Sie Änderungen und Sicherheitsmaßnahmen in einem Stadium implementieren, in dem dies noch vergleichsweise günstig ist.

Use Scenario: SARS-CoV-2-Test durchführen

ID	4	User profiles(s)	UP-1: Laien-Selbstanwender UP-2: Pflegefachkräfte
Trigger	Eine in die Probenflüssigkeit übertragene Probe soll auf SARS-CoV-2 getestet werden.	Use environment	Häusliche Umgebung mit Ablagefläche
Pre-condition	Die Probe zur Analyse mit dem SARS-CoV-2 Testset ist entnommen.	Post-condition	Die Testkassette zeigt das Ergebnis der SARS-CoV-2 Testung an.
Hazard-related	TBD	Overall use errors	UE.01 Der Benutzer verschmutzt die Nutzungsumgebung mit dem entnommenen Probenmaterial.

ID	User-Task	Critical task?*	System (Re)Action	Perception	Cognition	Action	Use Error
…
3	Der Benutzer legt die Testkassette ab.	Nein	-/-	Der Benutzer sieht nicht, dass der Test nicht eben liegt.	Der Benutzer weiß nicht, dass der Test nicht eben liegt.	Der Benutzer verändert die Position des Tests nicht so, dass er eben auf dem Tisch liegt.	UE.06 Der Benutzer platziert den Teststreifen nicht so, dass er eben liegt.
3	Der Benutzer legt die Testkassette ab.	Nein	-/-		Der Benutzer weiß nicht, dass der Teststreifen eben liegend platziert werden muss.	Der Benutzer verändert die Position des Tests nicht so, dass er gerade auf dem Tisch liegt.	UE.06**
4	Der Benutzer tropft die Probenflüssigkeit in die Testkassette.	Ja	Der Teststreifen zeigt, dass die Probenflüssigkeit sich verteilt.	Der Benutzer sieht nicht, wo die Probenflüssigkeit in die Testkassette einzubringen ist.	Der Benutzer weiß nicht, wo die Probenflüssigkeit in die Testkassette einzubringen ist.	Der Benutzer tropft die Probenflüssigkeit an eine andere als die dafür vorgesehene Stelle in die Testkassette.	UE.07 Der Benutzer tropft die Probenflüssigkeit nicht an der dafür vorgesehenen Stelle in die Testkassette. UE.08 Der Benutzer kontaminiert die Testkassette.
					Der Benutzer erkennt nicht, dass die Probenflüssigkeit auf den Teststreifen aufzutragen ist.	Der Benutzer tropft die Probenflüssigkeit in die Testkassette.	UE.07
					Der Benutzer vergisst, dass die Probenflüssigkeit in die Testkassette einzubringen.	Der Benutzer tropft die Probenflüssigkeit nicht in die Testkassette.	UE.07
5	Der Benutzer liest das Testergebnis ab.	Ja	Der Teststreifen zeigt das Testergebnis.	Der Benutzer sieht einen nur schwach erkennbaren Strich auf dem Teststreifen nicht.	Der Benutzer interpretiert das Testergebnis falsch.	Der Benutzer behandelt einen SARS-CoV-2-positiven Patienten wie einen SARS-CoV-2-negativen Patienten.	UE.09 Der Benutzer behandelt einen SARS-CoV-2-positiven Patienten wie einen SARS-CoV-2-negativen Patienten.
						Der Benutzer behandelt einen SARS-CoV-2-negativen Patienten wie einen SARS-CoV-2-positiven Patienten.	UE.10 Der Benutzer behandelt einen SARS-CoV-2-negativen Patienten wie einen SARS-CoV-2-positiven Patienten.
					Der Benutzer denkt, dass das „C“ auf dem Teststreifen für „Corona“ steht.	Der Benutzer behandelt einen SARS-CoV-2-positiven Patienten wie einen SARS-CoV-2-negativen Patienten.	UE.09
						Der Benutzer behandelt einen SARS-CoV-2-negativen Patienten wie einen SARS-CoV-2-positiven Patienten.	UE.010
					Der Benutzer weiß nicht, dass das Testergebnis 15-20 Minuten nach der Probeneingabe abgelesen werden muss.	Der Benutzer liest das Testergebnis außerhalb des dafür vorgesehenen Testzeitraums ab.	UE.11 Der Benutzer dokumentiert ein ungültiges Testergebnis.
…

Beispielhafter Auszug eines Use Scenarios für die Nutzung eines SARS-CoV-2-Tests für die Laienanwendung mit PCA-Analyse. Gemäß IEC 62366-1:2015+AMD1:2020 sind auch Nutzerprofile und Nutzungsumgebung notwendige Inhalte. Die Nutzungsumgebung und in diesem Beispiel auch das Nutzerprofil ändern sich nicht und können daher übergreifend und außerhalb der einzelnen Aufgaben beschrieben werden.

* Bei Entwicklungen für den Markt in den USA: Basierend auf der Bewertung durch das Risikomanagement wird bestimmt, ob ein Task mit einem Use Error verbunden ist, der ernsthafte Schädigungen („serious harm“) herbeiführen kann. Er wird in diesem Fall als Critical Task bezeichnet.

** Getreu dem Grundsatz „Don’t repeat yourself.“ Sind bei Dopplungen der Use Errors nur deren IDs aufgeführt. Das vermindert neben der Dokumentenlänge auch den Pflegeaufwand bei etwaigen Änderungen.

Im zweiten Beispiel wurde eine PCA-Analyse genutzt, um auf systematische Weise Use Errors abzuleiten. Die Use Errors dienen dem Usability Engineering und stellen im Normalfall Handlungen (Actions) dar, die in einem Usability Test beobachtet werden können. Die PCA-Analyse bietet eine zusätzliche Tiefe und informiert das Risikomanagement über mögliche Ursachen der abgeleiteten Use Errors. Auf dieser Basis können Risiken fundiert bewertet und Risikobeherrschungsmaßnahmen abgeleitet werden.

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